Bretagne-Tipp

mittendrin im Bretagne-Urlaub

Wer waren die Kelten?

"Die Kelten, "das geheimnisvolle Volk", sind ein Modeartikel geworden, der sich allenthalben nicht schlecht verkauft, sei es im Bereich der nüchternen Wissenschaft, sei es in dem der Esoterik-Welle" (Birkhan, S. 4).

An verschiedenen Stellen des Bretagne-Tipps ist von den Kelten die Rede, wenn es um kulturelle Ursprünge in der Bretagne-Geschichte geht. Und sicherlich stellt sich so manchem die Frage, wer denn dieses geheimnisvolle Volk war, das so nachhaltig die Kultur der Bretagne prägte. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Bretagne zweimal von Kelten bewohnt war, zunächst von den "Festlandkelten", deren Kultur aber auf dem ganzen europäischen Festland unterging und in der Bretagne in keinem direkten Zusammenhang mit der heutigen bretonischen Kultur steht. Später wurde die Bretagne noch einmal durch die aus England enwandernden sogenannten "Inselkelten" besiedelt (vgl. Kelten, Römer, Gallier). Auf diese berufen sich die heutigen "keltischen Nationen" Schottland, Irland, Isle of Man, Wales, Cornwall und Bretagne.

Die Festlandkelten

Wenn man sich mit den Festlandkelten beschäftigt, so geht es dabei um die riesige Zeitspanne von ca. 1000 Jahren und um kein einheitliches keltisches Volk, sondern um eine Vielzahl von verschiedenen in Mitteleuropa lebenden Stämmen, die gewisse kulturelle, sie als Kelten definierende Gemeinsamkeiten aufwiesen. Wir wissen von ihnen durch archäologische Ausgrabungen und durch eine spärliche Anzahl schriftlicher Fragmente von den Griechen oder von Römern, die sich auf ältere griechische Quellen berufen. Erst ab Caesars Eroberung Galliens (vgl. Kelten, Römer, Gallier) gibt es ausfühliche geschichtliche Quellen, die tiefere Einblicke in die Lebensweise der Kelten, ihre sozialen Strukturen und Kultur geben und unser heutiges Keltenbild entscheidend prägen. Auf die Mithilfe der Kelten, ihre Geheimnisse preiszugeben, hofft man vergeblich. So überlieferten die Druiden als Bewahrer des uralten Wissens der Kelten ihre Kenntnisse und Fähigkeiten nur mündlich, schriftliche Aufzeichnungen über dieses Wissen gibt es nicht. Laut Caesar mussten die Schüler der Druiden ungeheuer viel auswendig lernen, manche blieben 20 Jahre in der Lehre. So bleiben denn viele Rätsel um die Welt der Kelten offen, und wenn von ihnen detailliert die Rede ist, so ist damit häufig die Zeit am Ende ihrer Kultur gemeint, als die Römer sie in ihr Reich einverleibten (siehe auch Kelten und Heilige).

Tpisch keltisch: Ein Torques genannter vorne offener Halsreif.
Tpisch keltisch: Ein Torques genannter vorne offener Halsreif

Die alten Griechen kannten neben drei anderen großen Barbarenvölkern auch die Kelten. Bereits im 6. Jh. v.Chr. finden diese Barbaren als "Keltoi" Erwähnung, und die vorhandenen oder überlieferten spärlichen und unpräzisen Dokumente lassen darauf schließen, dass zu jener Zeit Europa von Österreich bis zum Atlantik von Stämmen besiedelt war, die aufgrund ihrer kulturellen Gemeinsamkeiten von den Griechen für ein einziges Volk gehalten wurden (vgl. Cunliffe, S.8). Die keltischen Stämme haben ihren Ursprung in der durch ihre Bestattungspraktiken erkennbare Urnenfelderkultur (Bestattung der Toten durch Verbrennung und Aufbewahrung der Asche in Urnen) im Mitteleuropa der Bronzezeit um 1200 v.Chr., deren Kultur sich bald auch auf Frankreich, Spanien und Britannien ausbreitete. Cunliffe merkt an, dass unklar sei, ob diese Ausbreitung eine Folge von Invasionen oder sich ausdehnenden bronzezeitlichen Handelsbeziehungen war, dass aber die gleichartige Kultur einschließlich verwandter sprachlicher indogermanischer Dialekte diese große Region zusammenhielt.

Hallstattkultur und Latènekultur

Und aus der Urnenfelderkultur ging dann im 8.Jh. v.Chr. mit dem Beginn der Eisenzeit die Kultur der Kelten hervor, definiert durch archäologische Funde wie Keramiken, Schmuck und Waffen, die gleichartige Gestaltungsmerkmale aufweisen, und gleichartige Bestattungspraktiken (Hallstattkultur vom 8.Jh. bis 5.Jh. v.Chr. und Latènekultur als keltische Kultur im engeren Sinne vom 5.Jh. v.Chr. bis zu den römischen Eroberungen, benannt nach den bedeutenden, diese Klassifizierung auslösenden Fundorten). Dort, wo sich die Hallstattkultur aus der Urnenfelderkultur herausbildete, erfolgte dieser Übergang allmählich. Die vorhandenen Siedlungen blieben bestehen, und die Gestaltung von Geschirr, Waffen und Schmuck blieb weitgehend gleich. Dies widerspricht der Ansicht, dass die Kelten ein Volk seien, das nach Europa eingewandert sei. Wanderungen gab es zwar auch bei den Kelten, jedoch zu einer späteren Zeit. Allerdings können zu Beginn der Hallstattzeit durch die Beeinflussung von osteuropäischen Stämmen, die nach Westen wanderten, sozio-politische Veränderungen ausgelöst worden sein (vgl. Cunliffe, S. 19).

Die Ausbreitung der Kelten, keltische Nationen heute
gelb: Hallstattkultur, hellgrün: Latènekultur, größte Ausbreitung der keltischen Sprache im 3. Jh.v.Chr., mittelgrün: die heutigen sechs keltischen Nationen Schottland, Irland, Isle of Man, Wales, Cornwall und Bretagne, dunkelgrün: heutige Gebiete der keltischen Sprachen (Quelle: Wikipedia, Wikimedia commons)

Im 5. vorchristlichen Jahrhundert kommt es im nordwestlichen Bereich der Hallstattkultur innerhalb weniger Jahrzehnte zu einem gesellschaftlich-kulturellen Wandel. Die bis dahin üblichen Fürstengräber sind dort nun nicht mehr anzutreffen, dafür aber gibt es weiter nördlich im deutschen Mittelgebirge neue Prunkgräber, gleichzeitig auch die neue Formensprache der Latène-Kultur, die auch wenig später in der Champagne und in Böhmen anzutreffen ist. "Die Hallstattbevölkerung hat sich ohne Kontinuitätsbruch zur Latènebevölkerung weiterentwickelt,..." (Birkhan, S 335). Während die Hallstatt-Kultur sich aber im Westen bis auf vereinzelte Einflüsse an der Loire-Mündung kaum über die Ardennen, die Champagne, die obere Seine und Saône ausbreitete, erreicht die Latène-Kultur zügig die Atlantik- und Kanalküste und dann auch die Bretagne (vgl. Ade/Willmy, S. 38). Ob dies auf eine Wanderbewegung keltischer Stämme zurückzuführen ist, lässt sich anscheinend weder belegen noch ausschließen. Dazu bedarf es anderer geschichtlicher Quellen. Wanderungen keltischer Stämme sind beispielsweise nach Italien, in den Balkan und bis Kleinasien (die Galater) belegt, aber in der zugänglichen Literatur sind für die Ausbreitung in die Bretagne keine Hinweise zu finden.

Der Keltenfürst vom Glauberg, eine lebensgroße Statue aus der Latènezeit des 5. Jh.v.Chr
Der Keltenfürst vom Glauberg (Hessen), eine lebensgroße Statue aus der Latènezeit des 5. Jh.v.Chr

Sind die Inselkelten auch Kelten?

Lässt sich denn ein Bezug der Inselkelten zu den Festlandkelten nachweisen? Schließlich existieren ja eindeutig keltische Sprachen in Britannien, und irgendwie muss doch das Keltische dorthin gekommen sein, von wo es dann letztendlich den Weg in die Bretagne fand. In Südengland belegen altkeltische Funde, dass es dort in der Eisenzeit laufend Kontakte zum Festland gab, es sind aber keine Zuwanderungen erkennbar, sondern eine bruchlose Entwicklung von der Bronze- in die Eisenzeit (vgl. Ade/Willmy, S. 69). Einwanderungen beginnen erst am Ende des 2.Jh. v.Chr., und mit ihnen beispielsweise auch gallische Importe. Laut Caesar siedelten auch belgische Stammesangehörige im südenglischen Hinterland, und es gab rege Beziehungen über den Ärmelkanal. Große Kelteninvasionen gab es aber nicht. Weiter in den Norden Englands nehmen die altkeltischen Funde stark ab, und Irland, wo kaum Latène- oder Hallstattfunde auftreten, muss sich fragen lassen, wie "keltisch eigentlich seine Kelten" waren (Mc Eoin 1986, nach Birkhan, S. 35). Irlands kulturelle Wurzeln liegen aus archäologischer Sicht in der Bronzezeit.

Die Probleme der Archäologie mit den Kelten

So weit ein Abriss über die Herkunft der Kelten, der die Schwierigkeit beinhaltet, eindeutig sagen zu können, welche Stämme (allgemein und speziell die der Bretagne) überhaupt als Kelten zu bezeichnen sind (vgl. Birkhan, S.32 ff.). Die Archäologie kann aus den von ihr gefundenen Gegenständen nicht ableiten, ob diese sich durch kulturelle Beeinflussung und Handel oder durch expandierende Stämme ausgebreitet haben (so wenig, wie man aus dem heutigen verstärkten Vorkommen von Cola-Dosen, Baseballkappen und Jeans in Europa auf eine nordamerikanische Invasion schließen kann). Um zu eindeutigeren Aussagen zu kommen, müssten zusätzliche, nicht materielle Kulturgüter wie Sprache, Religion oder die Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens des betreffenden Personenkreises bekannt und als keltisch erkennbar sein. Tatsächlich kennt man darüber viele Details, nur bezieht sich ein Großteil des Wissen auf die Zeit ab den gallischen Kriegen Caesars. Problematisch wird es, wenn wir zu den Ursprüngen der Kelten gehen, "denn je weiter wir in der Zeit zurückgehen, desto weniger wird die immaterielle Seite greifbar, so dass am Ende der Archäologe vor seinen Funden steht und sich fragt, ob diese [...] eigentlich noch "keltisch" seien. Im Grunde sind ihm die Kelten schon abhanden gekommen" (Birkhan, S. 33). Und auch der umgekehrte Fall tritt auf, dass in offensichtlich keltischen Gebieten die Funde aus der Latène- oder Hallstattzeit nicht mit den archäologischen Erwartungen übereinstimmen. So wird im Gebiet der Averner, der "Musterkelten", deren Keltentum als historisch völlig gesichert gilt, faktisch keine Latènekultur aufgefunden, so dass Irlands "Problem" doch stark relativiert ist. Unklarheiten noch und noch.

Zur Verbreitung der keltischen Sprachen

Ist die archäologische Verknüpfung Kelten = Angehörige der Latènekultur zu eng gefasst? Könnte die keltische Sprache bereits weit vor der Bronzezeit in die Bretagne und auf die britischen Inseln gekommen sein und mit den "archäologischen Kelten" gar nicht zwingend verknüpft sein? Die Sprachwissenschaft, die die keltischen Sprachen zu den indoeuropäischen Sprachen zählt, nimmt spekulativ eine indoeuropäische Ursprache an, die um 3500 v.Chr. in Kleinasien existiert haben könnte und sich von dort aus verbreitet hat. Damit verbunden könnten Wanderbewegungen des indogermanischen Urvolkes sein, so dass die von der Archäologie gefundenen kulturellen keltischen Gemeinsamkeiten auf wesentlich ältere gemeinsame Wurzeln zurückgehen. Vielleicht leistete auch die oben erwähnte Urnenfelderkultur einen Beitrag zur Verbreitung von Vorformen der heute als Keltisch bezeichneten Sprachen, weiter oben habe ich ja bereits erwähnt, dass Cunliffe für diese Kultur annimmt, sie hätten indogermanische Dialekte gesprochen. Können Spekulationen um die Herkunft der keltischen Sprache in irgendeiner Weise durch die Genetik erhellt werden? Populationsgenetiker beschäftigen sich bereits mit dem Zusammenhang zwischen dem genetischen Verwandtschaftsgrad verschiedener Völker und dem Verwandtschaftsgrad ihrer Sprachen.

Zurück von diesen weit zurückreichenden Wurzeln in die Gegenwart, in welcher eine einfache Speichelprobe genügt, mit der ein Schweizer Institut einen Gentest durchführen lässt. Über Ihre Herkunft wissen Sie dann einiges mehr: Sind Sie Kelte, Germane, Wikinger, Hunne oder gar Vandale? Die Verbindung zur Antike ist herstellbar!

Literatur:

B. Cunliffe: Die Kelten und ihre Geschichte. 6. Aufl. Bergisch-Gladbach 1996
D. Ade und A. Willmy: Die Kelten. Stuttgart 2007
H. Birkhan: Kelten. Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur. 2. Aufl. Wien 1997